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Prag

23 Feb
„Ich bin froh, wieder einmal hier zu sein, in dieser Stadt, deren architektonischer Zauber fast einzigartig unter allen Städten der Welt ist; ich bin glücklich, wieder einmal von einer Freundeshand durch ihre offenen und verborgenen Schönheiten geführt zu werden…“

( Thomas Mann, 1935 )

Vor über zehn Jahren verbrachten wir im Zuge eines Familienurlaubs einige Tage in Prag und waren ganz überwältigt von dem großen Touristen-Trara, den Schaustellern und den günstigen Souvenirs. Begeistert beobachteten wir das Gedränge vor den überladenen Geschäften und Hannah knipste eifrig mit ihrer Nikon alles, was ihr vor die Linse kam. Wir aßen jeden Abend frittierten Käse und frittiertes Gemüse, eine Kombination, die angesichts unseres sonst sehr gesunden Speiseplans doppelt verlockend wirkte.

Letztes Wochenende kehrten wir zurück in die tschechische Landeshauptstadt, wo wir Altbekanntes wiederentdeckten und gleichzeitig die Stadt in einem völlig neuen Licht wahrnahmen.  Obwohl sich der Touristenrummel jahreszeitenbedingt noch in Grenzen hielt, hatten wir bald genug von den Menschenmassen und versuchten, dem Trubel möglichst nicht allzu nahe zu kommen. Wir erkundeten Prag per Fuß, liefen durch verwinkelte Gässchen und schlenderten über die Karlsbrücke. Das kontrastreiche Stadtbild, in dem baulicher Zerfall und architektonische Pracht einhergehen, faszinierte uns sehr. Über der atemberaubenden Kulisse lag ein eisiger Wintermantel, es war grau und kalt, doch das tat der Schönheit, dem Glanz und dem Charme der goldenen Stadt keinen Abbruch!

Wir aßen meist im Restaurant unseres Hotels U Šemíka, das auf einer buntgemischten Speisekarte wirklich leckere Gerichte anbot. Neben mediterranen Vorspeisen werden zahlreiche böhmische Gerichte aufgetischt, wie zB. Gulasch mit Serviettenknödeln, was uns gut schmeckte. Dass es auch „anders“ geht, merkten wir im direkten Vergleich, als wir von einer mittäglichen Heißhungerattacke getrieben, in der Innenstadt dasselbe Gericht probierten. Nach langem Hin und Her hatten wir uns für ein vielversprechendes und noch dazu günstiges böhmisches Spezialitätengasthaus entschieden, dessen Speisen aber eher nach Kantinenessen schmeckte und nicht glücklich machten  (Sina fühlte sich schmerzlichst an ihr enttäuschendes Erlebnis in München erinnert).

Die tschechische Küche ist spätestens seit der K&K-Zeit von österreichischen und süddeutschen Einflüssen geprägt und enthält viel fleischreiche Kost. Auch typisch für die Küche Böhmens sind Süßspeisen aus Hefeteig, wie Buchteln, süße Klößen oder Liwanzen, auch Blinsen oder Dalken genannt. Das sind kleine Pfannekuchen aus Germteig, die in einer speziellen, mit kleinen Vertiefungen versehenen Pfanne,  in Fett ausgebacken werden. Die „Zimtliwanzen“, deren Namen bei uns jedes Mal großes Schmunzeln hervorrief, wurden mit Sahne und Beeren serviert.

In den legendären Prager Kaffeehäusern findet man ebenfalls köstliche Süßspeisen. Wir gönnten uns einen Abstecher ins Café Imperial, das direkt hinter dem Pulverturm liegt und mit seinem altehrwürdigem Kaffeehauscharme zahlreiche Touristen und Einheimische anzieht. Für ein Stück Torte zahlt man stattliche 4,30 € (100 kč), doch angesichts des pompösen Ambientes drückt man da gerne mal ein Auge zu, genießt und schweigt. Wir probierten Tiramisu, eine Honigtorte, eine goldbestäubte Schokoladentorte und cremige Erdbeertorte.


Am letzten Abend ließen wir unseren Aufenthalt in der goldenen Stadt Revue passieren. Wir waren froh, die Stadt neu entdeckt zu haben und ganz erschlagen von den vielen Eindrücken und den schönen Momenten. Neben all dem Neuen aber sind zwei Dinge dann letzten Endes doch gleich geblieben: Hannah fotografierte auch dieses Mal viel mit ihrer analogen Nikon und ich aß zum Abschied frittierten Käse mit Pommes- in Erinnerung an die alten Zeiten. Ist ja wohl Ehrensache!